Mit 60 Jugendlichen und einem Zug: Unterwegs zwischen Breslau, Prag und Görlitz
9.31 h Bahnhof Hradek (Tschechien). Da steht er, der "eigene" Zug! Aufgeregt sammeln sich davor 60 Jugendliche aus Polen, Tschechien und Deutschland, für die nun ein Traum in Erfüllung geht.
Zwei Jahre haben sie sich getroffen, diskutiert, Konzepte erarbeitet und Videos gedreht, über die Menschen, die im Dreieck Dresden, Prag, Breslau wohnen und bei Kriegsende so alt waren wie die Jugendlichen jetzt. Eine Zeit intensiven Lebens beginnt, viel Leben, wenig Schlaf: Ein unvergessliches Erlebnis.

Grüne Gleise, wir fahren über Gleise, in denen das Gras wächst, in Deutschland selten. Sträucher und Büsche streifen den Zug. Wie kann man da graue Straßen bauen?
Grün auch als Zeichen: Es überwächst die Spuren alter Besiedlungen, löscht Geschichte und macht einem neuen Anfang Platz.
11.35 h, Ankunft in Liberec (Tschechien). Es muss schnell gehen. Wir steigen aus, holen aus dem Gepäckwagen unsere Requisiten: Koffer, Schirme, Kisten, zwei Tragbahren, Trommeln. Ein Menschenzug bildet sich, schreitet langsam voran, Trauerzug und Flüchtlingstreck gleichzeitig, begleitet vom Herzschlag einer großen, tiefen Trommel.
Es geht nicht in erster Linie um Musik oder Theater, sie sind Werkzeug. Werkzeug für eine Verständigung zwischen Menschen verschiedener Nationen, kann man sie überhaupt "Völker" nennen? Nach dem zweiten Weltkrieg wurden sie unter dem Vorwand, sie für eine gerechte Weltordnung zu trennen, neu durchmischt.
Soldaten, die aus fernen Regionen kamen, blieben, ließen sich nieder. Vertriebene aus dem Osten bezogen Häuser von Vertriebenen, die nach Westen mussten. Und mittendurch wurden neue Nationalitäten vergeben, neue Grenzen geschnitten, wo vorher höchstens Flüsse oder Bergzüge waren.
Nächste Station: Görlitz (Deutschland), Stadt an der Neisse, nach Kriegsende begegneten sich auf der letzten intakten Brücke zwei Menschenströme, die Vertriebene aus dem Osten und die, die voller - wie sich später herausstellen sollte, vergeblicher - Hoffnung in ihre heimatlichen Häuser zurückkehren wollten.
Die Jugendlichen beenden ihren Menschenzug durch den Bahnhof mit einem melancholischen Hymne. Der Text, selbstgeschrieben:
Ich bin die Dauer, ich bin die Zeit
ich fließe wie Wasser, ich bin in jedem von Euch
Ich habe viel, was ich geben will
ich muss alles nehmen.
Jelenia Góra (Polen), ehemals Hirschberg: Die Jugendlichen spielen "Romeo und Julia auf dem Bahnhof". Eine Inszenierung von Liebe und Hass zwischen zwei Familien, zwischen Menschen überhaupt.
Jelenia Goras Bahnhof erscheint zu groß für die heutige Nutzung. Auf etlichen Gleisen stehen verrostete, zum Teil verfallene Wagons.
Der Viehwagon - das meist genutzte Transportmittel im und nach dem Krieg. "The Train is in your Town" bedeutete damals nur zu oft: Abschied nehmen von der eigenen Heimat, sich in kürzester Zeit fertig machen für den Abtransport. Die menschenverachtende, nüchterne Perfektion vieler Beamter, Verwalter und Planer europaweit hat es erst möglich gemacht, dass die Züge auf der Hinfahrt meist unfreiwillige Umsiedler in den Westen und auf der Rückfahrt ehemalige Zwangsarbeiter zurück in den Osten brachten.
In Breslau (Polen) wurde 1945 bis zuletzt gekämpft. Als es zerbombt war, flohen die deutschen Einwochner nach Westen. Aus Lemberg (Lwow) vertriebene Polen zogen ein. Ein Detail der Verschiebung Polens nach Westen. Die Einwohnerschaft wurde fast komplett ausgetauscht. Noch heute spürt man diese gespaltene Identität. Die Häuser zeigen deutsche Architektur. Von Wrozlaw aus ist man schneller in Dresden oder Berlin als in Warschau, Zug- und Straßenverbindungen sind nach Westen besser ausgebaut. Die Stadt pflegt intensive Kontakte zum Westen, bewirbt sich für die Expo und und wird bei alledem aus Warschau kritisch beäugt.
Gegen Ende der Zugankunft zieht die Sambagruppe spielend vor den Bahnhof. Nach Ende des Programmes kehrt das Lachen kehrt in die Gesichter zurück. Überhaupt wird auf dieser Fahrt viel gelacht. Die Gruppen teilen sich nach den benutzten Medien auf, nicht nach Nationalität. Dolmetschen wird selbstverständlich. Der historische Abstand erlaubt den Jugendlichen - und auch den Begleitern - auf die Vergangenheit zu gucken, sie zu verarbeiten und in der Gegenwart neue Freundschaften zu schließen: Vertrauen zueinander zu gewinnen, eine Basis für Hoffnung und Frieden.
Jelenia Goras Bahnhof erscheint zu groß für die heutige Nutzung. Auf etlichen Gleisen stehen verrostete, zum Teil verfallene Wagons.
Der Viehwagon - das meist genutzte Transportmittel im und nach dem Krieg. "The Train is in your Town" bedeutete damals nur zu oft: Abschied nehmen von der eigenen Heimat, sich in kürzester Zeit fertig machen für den Abtransport. Die menschenverachtende, nüchterne Perfektion vieler Beamter, Verwalter und Planer europaweit hat es erst möglich gemacht, dass die Züge auf der Hinfahrt meist unfreiwillige Umsiedler in den Westen und auf der Rückfahrt ehemalige Zwangsarbeiter zurück in den Osten brachten.
In Breslau (Polen) wurde 1945 bis zuletzt gekämpft. Als es zerbombt war, flohen die deutschen Einwochner nach Westen. Aus Lemberg (Lwow) vertriebene Polen zogen ein. Ein Detail der Verschiebung Polens nach Westen. Die Einwohnerschaft wurde fast komplett ausgetauscht. Noch heute spürt man diese gespaltene Identität. Die Häuser zeigen deutsche Architektur. Von Wrozlaw aus ist man schneller in Dresden oder Berlin als in Warschau, Zug- und Straßenverbindungen sind nach Westen besser ausgebaut. Die Stadt pflegt intensive Kontakte zum Westen, bewirbt sich für die Expo und und wird bei alledem aus Warschau kritisch beäugt.
Gegen Ende der Zugankunft zieht die Sambagruppe spielend vor den Bahnhof. Nach Ende des Programmes kehrt das Lachen kehrt in die Gesichter zurück. Überhaupt wird auf dieser Fahrt viel gelacht. Die Gruppen teilen sich nach den benutzten Medien auf, nicht nach Nationalität. Dolmetschen wird selbstverständlich. Der historische Abstand erlaubt den Jugendlichen - und auch den Begleitern - auf die Vergangenheit zu gucken, sie zu verarbeiten und in der Gegenwart neue Freundschaften zu schließen: Vertrauen zueinander zu gewinnen, eine Basis für Hoffnung und Frieden.
Rolf Monitor (Mittelherwigsdorf/Köln)